Besuch des Oktoberfest-Behandlungszentrums 2017


Notfall auf der Wiesn – wer hilft? …

AGN München besuchte das Oktoberfest-Behandlungszentrum 2017

 … Diese Frage stellten sich einige Medizinstudierende und notfallmedizinisch Begeisterte der AGN München. Antworten erhielten sie bei strahlendem Sonnenschein und zu den Klängen des traditionellen Standkonzerts am zweiten Wiesnsonntag bei einer Führung durch das Behandlungszentrum auf dem größten Volksfest der Welt.

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Ein lauter Gong und eine rot blinkende Zahlenanzeige über dem Türrahmen waren die ersten Hinweise, die wir, eine Gruppe der Arbeitsgemeinschaft Notfallmedizin am vergangenen Sonntag im Behandlungszentrum (BHZ) des Bayerischen Roten Kreuzes wahrnahmen. Was hat dies zu bedeuten? Die Lösung dieser Frage und viele weitere Fakten erhielten wir während der einstündigen Führung mit Jürgen Reuter Notfallsanitäter und Assistent der ärztlichen Leitung des Wiesn-Behandlungszentrums.

Der erfahrene Notfallsanitäter skizzierte zunächst die Kernaufgaben und – bereiche des Behandlungs- zentrums und stellte gleich zu Beginn heraus, dass wider der Erwartung, nicht Alkoholintoxikationen, sondern kleinere Blessuren, wie Schnittverletzungen häufigster Vorstellungsgrund von Patienten im Behandlungszentrum sind.

Dies spiegelt sich auch in der Struktur und Architektur des Notfallzentrums wieder, welches in der heutigen Form erstmals 2004 genutzt wurde. Neben den 15 sogenannten Überwachungsbetten, die in bodennaher Lage die Versorgung und Überwachung von Wiesnbesuchern mit zu viel Alkohol im Körper ermöglichen, gibt es drei weitere Bereiche, die eine umfassende Erstversorgung für alle anfallenden Krankheitsbilder darstellen.

Hier ist an erster Stelle die Behandlungseinheit zu nennen, wo initiale Diagnostik und Versorgung von Verletzten erfolgen kann.

 

Zweitens gibt es die Akuteinheit, wo zeitgleich mehrere kritisch Kranke oder instabile Patienten diagnostiziert, therapiert und für den Transport in die Klinik stabilisiert werden können. Hier finden sich neben der Monitorüberwachung auch diagnostische Möglichkeiten, die in einer Sanitätsstation eher selten zu finden sind, wie Sonographie, ein Point-of-Care Blutgas- analysesystem und ein Troponin-Schnelltest, der hinweisgebend für einen potenziellen Herzinfarkt sein kann.

Für Patienten die ein Monitoring der Vitalwerte oder aufgrund beipielsweise einer Migräneattacke eine reizarme Umgebung benötigen, biete der Ruhebereich - der dritte Versorgungsbereich - mit 11 Betten den passenden Ort, um diese Patienten zu überwachen und zu versorgen.

Patienten mit kleinen Schnittwunden können vor Ort in einem der beiden Wundversorgungsräumen von einem Team aus Chirurgen und OP-Fachschwestern genäht werden, was zu einer Entlastung der umliegenden Krankenhäuser führt und für die betroffenen Wiesn-Besucher somit nicht zwangsläufig das Ende des Oktoberfesttages definiert.

Abgesehen von diesen „volksfesttypischen“ chirurgischen Verletzungen ergibt sich aus der Besucherzahl von knapp 5,6 Millionen (2016) die Tatsache, dass jedes Jahr auch zahlreiche neurologische und internistische Notfälle im BHZ zu behandeln sind.

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So berichtete Jürgen Reuter, das bereits der zweite Einsatz der Sanitäter 2017 eine erfolgreiche Reanimation gewesen sei,  bei der ein 57-Jähriger nach einem Herzinfarkt im Zelt wiederbelebt werden konnte und auf dem Weg ins Krankenhaus bereits wieder ansprechbar gewesen sei. „Der beste Ort um während der Wiesn-Zeit einen medizinischen Notfall zu erleiden ist die Theresienwiese“ meinte der Notfallsanitäter mit einem Augenzwinkern und fügte hinzu, dass dies einerseits der schnellen Erkennung der Notfallsituation durch andere Wiesnbesucher zuzuschreiben und andererseits der Präsenz und raschen Verfügbarkeit von professionellen Helfern zu verdanken sei.

 

Um solche zeitkritischen Notfälle angemessen behandeln zu können, stehen neben den über 80 Sanitätern und bis zu 12 Ärzten die im BHZ während der Wiesnzeit täglich für Patienten bereit stehen, bis zu 40 Sanitäter als sogenannte Tragenteams zur Verfügung die als Einheit von 4-5 Sanitätern nicht gehfähige Patienten vor Ort erstversorgen und bei Bedarf mit einer Rettungstrage zur weiteren Versorgung ins BRK-Behandlungszentrum transportieren oder direkt einen Rettungswagen anfordern, der Patienten in eines der nahegelegenen Krankenhäuser bringt.  

An dieser Stelle lüftete Jürgen Reuter das Geheimnis des Gongs und der rot blinkenden Zahl über der Türe. Dabei handelt es sich um die Alarmierung einer der 10 Rettungstragen, die im Volksmund aufgrund der gelben Sichschutzabdeckung als „Banane“ bezeichnet werden. Zum Abschluss der Führung durften wir eine solche Trage in Augenschein nehmen.

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Bis zur Wiesn-Halbzeit 2017 versorgten die Sanitäter und Ärzte des Wiesn-BHZs knapp 3.300 Patienten, eine im Vergleich zum Vorjahr (2016: 3.738 Fälle) leicht rückläufige Fallzahl. Für uns zeigte die Führung durch das Behandlungszentrum des Bayerischen Roten Kreuzes, dass das BHZ für jeden dieser über 3000 Patienten eine bestmögliche Versorgung vorhält.

Mit diesem Wissen konnten wir den Rest des Sonntags auf dem Volksfest noch unbeschwerter ausklingen lassen.

Artikel: Matthias Deininger

Fotos: Jonas Kraska

Wir danken allen Helfern, Ärzten und Verantwortlichen, ganz besonders Jürgen Reuter und Oliver Schütz vom BRK München für die Einladung und die umfassende und informative Führung und dafür das sie größtenteils ehrenamtlich für die medizinische Versorgung und Sicherheit auf der Wiesn einstehen.

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