Besuch des Lufthansa Aviation Training Center München


Über den Wolken …

Notfälle in luftiger Höhe

München –  Am 05.05.2018 starteten 18 Medizinstudierende und Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Notfallmedizin Ihre Reise von München nach Johannesburg, über den Wolken retteten sie ein Leben und auf dem Rückflug gab es eine Abkühlung im Hudson River.

Zusammenfassend, ein (fast) ganz normaler Tag im Lufthansa Aviation Center, dem Trainingszentrum in München, welches wir besuchten. Zwar verließen wir physisch nie die Münchner Landeshauptstadt, doch dank erfahrener Trainer, wurden wir mittels Kabinensimulatoren in Windeseile auf mehrere Tausend Fuß katapultiert.

Nach einer kurzen Einführung durch das Team von Wallmeyer GmbH, dem Veranstalter unserer virtuellen Reise, durften wir uns mit dem Notfallequipment im Flugzeug beschäftigen. Neben kleinen First Aid Kits, die u.a. Nasenspray und Verbandmaterial enthalten, gibt es an Board der Linienflieger in der Regel einen AED, den Automatisierten Externen Defibrillator, der bei einem Herzstillstand über den Wolken zum Einsatz kommt, so wie das Doctor‘s Kit, einem Notfallkoffer, der neben Notfallmedikamenten und Infusionsbesteck auch umfassende Ausstattung für die Atemwegssicherung bereitstellt.

Ein Flight Paramedic, der weltweit medizinische Rücktransporte begleitet, skizzierte uns nebst dem OnBoard-Equipment seinen Arbeitsalltag sowie die Besonderheiten und Herausforderungen der Notfallmedizin im Flugzeug.
Eine Zahl in seinem Vortrag, die uns alle überraschte: Laut seiner Schätzung werden knapp 80% aller medizinischen Rücktransporte in normalen Linienfliegern vollzogen, hierfür gibt es u.a. mobile Intensivstationen sogenannte PTCs, Patient Transportation Compartments, die in Flieger eingebaut werden können, so dass die übrigen Fluggäste gar nicht erkennen, dass auch ein, zum Teil schwer kranker, Patient an Board ist.

Nach diesem kurzweiligen theoretischen Überblick ging es in medias res, denn unser Kabinensimulator nach Johannesburg wartete eine Etage tiefer – ready to departure.

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Nach dem Start in München, der über digitale Kabinenfensterbildschirme und ein 16 kW Soundsystem realitätsnahe wiedergegeben wurde, begann der Purser mit dem Service.

Noch während die Teilnehmer das servierte Wasser schlürften, erklang eine Stimme aus dem Off: „Sehr geehrte Fluggäste, wir haben einen medizinischen Notfall an Board, sollten Medizinstudierende unter uns sein, melden Sie sich bitte bei der Crew. Vielen Dank.“ Das war der Moment, den alle erwartet hatten, doch er kam überraschend und so lernten die Mitglieder der AGN München hautnah, was es bedeutet, eine leblose Person aus dem Sitz zu retten und in die Galley („Bordküche“) zu bringen, wo die Platzverhältnisse für eine medizinische Versorgung an Board am besten sind. Dank der Koordination durch die Cabin Crew gelang es, den Herz-Kreislaufstillstand trotz der engen Platzverhältnisse zu beherrschen und nach wenigen Minuten eine Notlandung in Rücksprache mit dem Kapitän einzuleiten. Der Patient überlebte und die AGNler waren um viele Erfahrungen reicher.

„Es ist zwar zunächst ungewohnt, da es echt eng ist und man nicht einfach die Türe aufmachen kann, um mehr Platz zu haben“ schilderte einer der Ersthelfer, seines Zeichens Lehrrettungsassistent und daher erfahren, was derartige Situationen angeht, „doch nach einer Weile hat man sich organisiert, dann geht es erstaunlich gut und die Crew ist sehr hilfreich, denn die wissen wo was ist und wie man den Patienten am besten lagert“.

Zum Abkühlen folgte nach dem virtuellen Flug gen Afrika, ein Vortrag zum Thema Kommunikation und Crew Resource Management im Flugzeug, da dies auch in der Medizin eine immer größere Bedeutung erlangt.

Neben zahlreichen Einblicken in stattgehabte Flugzeugunglücke, erfuhren wir auch hier Praktisches für den Passagieralltag. So ist das, was viele Reisende als eine „harte Landung“ bezeichnen, technische eine gute Landung und auch das häufig kritisch betrachtete starke Abbremsen des Flugzeugs bei der normalen Landung, entspricht im Schnitt nur 10-20% der maximalen Bremsleistung, der jeweils 12 Trommelbremsen pro Rad. Was passiert, wenn somit eine echte Vollbremsung ausgelöst wird und welche Kräfte auf die Passagiere wirken, ist aus diesen Zahlen eindrücklich zu erahnen.

Als letzter Punkt des Tages stand der simulierte Rückflug aus Afrika auf dem Programm. Zurück im Kabinensimulator begann somit der Flug gen Heimat. Nachdem ein Feuer im Kabinenofen ausbrach und von den AGNlern gelöscht wurde, fingen im Verlauf des Fluges beide Triebwerke Feuer, so dass eine Notlandung auf dem Hudson River eingeleitet werden musste. Innerhalb von 31,3 Sekunden konnten alle Studierenden den Simulator verlassen und sich in die Rettungsrutschen, die im Falle einer Notwasserung als Boote fungieren, in Sicherheit bringen. Im Ernstfall hat die Crew 90 Sekunden Zeit, alle Passagiere zu evakuieren, vorausgesetzt nur 50% der Türen und Rettungsrutschen sind einsatzbereit.

Eine beachtliche Leistung und einmal mehr die Erkenntnis, dass die Cabine Crew weitaus mehr zu leisten im Stande ist, als das, was viele Passagiere auf einem normalen Flug erahnen würden. Um diese und zahlreiche weitere Impressionen reicher, verließ das Team der AGN München den Simulator und genoss den restlichen sonnigen Frühlingstag unter bayerisch-blauem Himmel mit der Erkenntnis, auch über den Wolken nun besser für Notfälle vorbereitet zu sein.

Autor: Matthias Deininger

Foto: Niklaus Olsen

Wir danken recht herzlich dem Team von Wallmeyer GmbH sowie dem Lufthansa Aviation Center München für den lehrreichen Tag und die Möglichkeit an diesem Training teilnehmen zu dürfen.

 

Notfälle über den Wolken, AGN